Heiliges Kanonenrohr. Was für ein Ritt. Ich stehe im Starthäuschen, die Muskeln zum Bersten angespannt. Der eisige Wind weht mir entgegen, vor mir liegt die Strecke. Perfekt präpariertes Weiß, das sich vom tiefblauen Himmel abhebt. Ich ramme meine Stöcke in den Schnee. Das Startsignal ertönt und ich rase los. Ich gehe in die Hocke, lege mich in die Kurven.
Da der erste Sprung! Mein Körper zieht sich zusammen, bereit in Sekundenschnelle wieder aufzusetzen. Doch während ich abhebe, verändert sich unter mir alles. Meine Abfahrtsski verwandeln sich in Badeschlapfen, das Weiß wird zu Grün. Statt das Rennen meines Lebens zu fahren, lande ich mit einem lauten Platsch mitten im weiten Ozean und muss nach Leibeskräften schwimmen, um nicht unterzugehen.
Ja, so in etwa hat sich das Jahr 2020 wohl für viele von uns angefühlt. Wir hatten Pläne, waren perfekt vorbereitet, hatten unser Ziel vor Augen. Und dann kam das böse Wort mit C. Wir landeten unsanft auf dem Hintern.
Dieser Artikel ist als Beitrag zur Blogparade „Corona selbstständig online“ entstanden und ist meine ganz persönliche Abrechnung – im besten Sinne des Wortes – mit diesen verrückten vergangenen 365 Tagen.
Es war zum Aus-der-Haut-Fahren
Mich hat es kurz nach meinem Geburtstag am 11. März erwischt. Ein letztes Treffen zum Brunchen mit meinen Eltern, dann bald die Gewissheit: Österreich sperrt zu. Und wenige Tage vor der geplanten Veröffentlichung meines ersten Kinderbuches Emma und die Federmaus: Der „Ich kann es“-Zauber. Fünf Jahre hatten mein Vater Reinhart Kerndle, der das Buch illustriert hat, und ich auf darauf hingearbeitet unsere Emma in die Kinderzimmer dieser Welt zu bringen. Und dann: Lockdown. Lesungen, Veranstaltungen, Besuche in Schulen und Kindergärten, um das Buch zu promoten? Konnten wir uns an den Hut stecken.
Meine Mutmach-Geschichte
Ich gebe es zu: In diesen ersten Tagen war mir danach, mich im Bett zu vergraben und niemals wieder aufzustehen. Gott sei Dank habe ich es nicht getan. Die Botschaft, des „Ich kann es“-Zaubers wurde zur Mutmach-Geschichte für viele Familien. Die großen österreichischen Tageszeitungen berichteten über uns, ich gab Interviews. Und wir hatten wunderbare Menschen im Hintergrund, die uns halfen unsere Geschichte über die sozialen Medien zu erzählen.
Die erste Auflage des Buches war nach 3 Wochen ausverkauft. Heute, acht Monate später, ist der „Ich kann es“-Zauber bei fast 1.700 Familien in Österreich und Deutschland eingezogen. Mehr dazu liest du auch in meinen Artikeln: „Erfolgsgeschichte Kinderbuch: meine Learnings für dein Business“ und „Positives Denken für Kinder – ein Buch als Herzensprojekt“.
Flexibilität ist mein zweiter Vorname
Die Tragweite der Situation wurde mir, wie wohl vielen anderen auch, erst nach und nach bewusst. Das galt auch für meinen Kunden, denn langsam aber sicher brach da und dort Panik aus. Budgets wurden neu vergeben, statt Events und Verkaufsveranstaltungen standen plötzlich Social-Media-Auftritte am Programm. Wir änderten Medienpläne, improvisierten. Ich überarbeite Texte, passte sie an die aktuelle Situation an – soweit das eben möglich war, denn die Situation änderte sich stündlich.
Als Texterin war ich mit meinem kleinen Team im Dauereinsatz, um viele unserer Kunden auf ihrem Weg von offline zu online zu unterstützen. Rückblickend betrachtet war es genau das, was mir in dieser ersten Zeit der Unsicherheit geholfen hat: Das Bewusstsein, ich kann zwar die Situation nicht ändern, aber ich kann mein Können einsetzen, um anderen zu helfen.
Ich brachte jene Ideen und Lösungsansätze zu Papier, die großartige Unternehmer*innen in Windeseile aus dem Boden stampfen. Sie teilten ihre Visionen mit mir, genauso wie ihre Sorgen und Ängste. Das Schöne daran: Wir rückten näher zusammen, lernten uns von einer anderen Seite kennen. Ausnahmesituationen schweißen nun mal zusammen.
Das war doch noch was – Homeschooling
Ganz nebenbei habe ich auch noch einen Zweitberuf auf die Reihe bekommen – als Lehrerin. Homeschooling im Dauertakt. Neben dem Promoten des Kinderbuches und meiner Textagentur.
Ich habe mir den Spaß gemacht, die Zeit einmal zu erfassen, die ich als Lehrperson nebenher absolviert habe: Es waren 10 bis 15 Stunden pro Woche. Unbezahlt, mit einer ungeduldigen Chefin. Für die Mathe-Stunden hätte ich eigentlich eine Gefahrenzulage verdient.
Ich weiß nicht, woher die Energie kam, das alles auf die Reihe zu bekommen, sie war einfach da. Und so herausfordernd das mit der Schule im Wohnzimmer auch war, so sehr habe ich es auch genossen: Denn plötzlich war da ganz viel Zeit, die sonst immer fehlt. Für lange Spaziergänge, für ewig lange UNO-Runden oder einfach, um gemeinsam ein Tipi-Zelt zu basteln – ja, auch der Werkunterricht stand am Homeschooling-Stundenplan. ?
Leben ist das, was passiert, während du Pläne machst
Wenn ich heuer etwas gelernt habe, dann den Moment zu rocken und das Beste aus jeder Situation zu machen. Ich hatte dabei unglaubliches Glück. 2020 war gut zu mir und ich werde mich keine Sekunde darüber beklagen, im Gegenteil: Ich blicke in Dankbarkeit und Demut zurück.
Viele meiner Kund*innen wurden heuer zum herausragenden Vorbild für mich. Sie haben die Herausforderung Corona angenommen, sich auf ihre vier Buchstaben gesetzt und Lösungen gefunden. Immer und immer wieder.
So große Sorgen und Nöte sie auch hatten, sie haben nicht aufgegeben. Und genau das ist es, worauf es im Leben ankommt: Auf den „Ich kann es“-Zauber, den unbändigen Glauben an uns selbst und das Vertrauen, dass am Ende alles gut wird. Denn wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.